im Regen

im Regen

noch stehen wir
wieder und wieder im Regen

haben die
Jacken gewendet
tragen das Innere nach außen

noch hängt feuchte Luft
in unseren Zimmern

noch haben wir
das Silberbesteck nicht
versetzt

und noch hältst am Ende
immer du meine Hand

für Gun

Der achte Monat

Voilá: Es folgt in guter alter Tradition mein jährliches August-Gedicht!

Der achte Monat

In prächtiger Luft
kommst du daher
spazierst in aller Fülle
durch das offene Fenster des Morgens

Noch ist alles klar
noch zwitschert morgens die Amsel
noch tragen wir leichte Kleider
trinken die bunten Gläser des Sommers

Bald schließen sich Kelche
die Türen werden gedämmt
die Pelze entpuppt
auf dass auch dieses Jahr sich neige

für den August

Auf dem Landweg

Nach langer Pause und nach gründlicher Generalüberholung an Körper, Geist und Seele hier euch nun ENDLICH wieder ein Text von mir. Im Anhang der Versuch, das Vokabular auch für die Urgroßmütter der Großfamilie verständlich zu machen.

Auf dem Landweg

Etwas
das bleibt
durch die Streichinstrumente
und die Luft des frühen Gezwitschers
dringt es direkt zum Herzen vor

Du fragst
Ach, was ist schon ein Herz?
Eine Schwungpumpe
um Stoffe zu transportieren
auf dass die Zellen nicht sterben

Und so tragen mir
die Hände der alten Engel
deine Spielfiguren zu
während das Radio
auf drei Kanälen gleichzeitig sendet

Threads untermalt
vom Göttergesang falscher Töne
Nachrichten die versiegen
dazwischen deine Herz-Emojis
bis ich nur noch auf dem Landweg

zu erreichen bin

© Friederike Hermanni, 2024

Laut Microsoft Bing ist ein Thread eine Sammlung zusammenhängender Posts – also der Meinungen einzelner User. Ein Post ist laut dieser Quelle mit einer Nachricht auf einem Notizzettel vergleichbar. Ein User ist in diesem Falle ein einfacher Internetbenutzer. Microsoft Bing  ist eine Suchmaschine.

Emojis sind laut Bing kleine Symbole wie Smileys, Alltagsobjekte oder Flaggen, die der Kommunikation im Internet und auf mobilen Endgeräten dienen. Smileys sind kleine gelbe Gesichtchen.

Unter leiser Sonne

Wer mag, höre „The Tree“ von Ludovico Einaudi zu diesem Text:

Unter leiser Sonne

ein Nebeneinandersein
unter leiser Sonne
ein Licht
in dessen Obhut wir
nichts als grüne Luft
einatmen
am Moos der Kiefern
orten wir unsere
Existenz verbinden
all das Offene
mit dem sandigen Boden
vermessen den Tau der Buchen
finden Schmetterlingsblütler
du erklärst mir das rote
Schichtgestein
der 4,5 Milliarden
alten Erde die
unsere Schritte aufnimmt
als sollte es nie
anders gewesen sein

© Friederike Hermanni, 2024

Brandgefahr

Brandgefahr

Ein Gedanke waghalsig
und doch scheu
lagert im Regal meines Vertrauens
viele Jahre habe ich
gut auf ihn achtgegeben
habe ihn nur selten zum Flanieren
auf den Boulevard geschickt dort
weht der Wind zu stark
Er liegt neben den Spezialmomenten
und den großen Ausnahmen
wartet darauf sich im
Schatten des Sturms
herauszuwagen
In diesen Tagen
will ich
ihm eine Feuerleiter bauen

© Friederike Hermanni, 2024

Inzwischen

Inzwischen

Inzwischen sind die Tage wieder heller
Auf der anderen Seite des Flusses

länger, ausgedehnter als damals
wartest du noch immer auf mich

in diesem zurückliegenden Winter
waren meine Augen aus Pergament

als alle Lichter ausgegangen waren
sah ich nur noch die Flugrouten

die Zukunft war abgeschaltet
zwischen all den Satzbauten und Worten

es gab keine Sonnen mehr am Horizont
weder abends noch morgens

mein Gehirn ließ alle Bilder vorbeiziehen
und in meinem Raum aus Glas
wuchsen keine Bäume mehr

© Friederike Hermanni, 2024

Der Augenblick

Der Augenblick

Ich habe dich zwischen den Zeitungsständern gesehen
Am anderen Ende der Stadt

Deine Augen trugen die Farben meiner Vergangenheit
Dein Haar fiel dir locker ins Gesicht

Da – die Sonne ging auf
und du tratst ein am Rande meiner Existenz

Wir berührten uns im Schatten des Lichtes
wussten um dieses seltene Gut

In deinem Gesicht verschmolzen die Geschichten meiner Zeit
Deine Arme waren wie Flügel

Ich wusste ich würde dich bald schon verlieren
und hielt deine Hände bis der Augenblick verschwand

© Friederike Hermanni, 2024

Es wird langsam

Es wird langsam

A) Im Wind

Und da ist dieses Zittern in mir
wenn ich in der Luft hänge um Erbsen zu zählen
wenn da wieder dieser scharfe Schnitt kommt
und der beat lauter wird als mein Herz

Und da bewegt sich das Zittern
bricht sich Bahn wenn das Außen sich selbst torpediert
erschüttert den Raum wenn der Lärm innen drin detoniert
greift um sich wenn ein Bild sich potenziert

Und das Zittern das bleibt
wenn die Gewalt den Überblick
                                                  verliert
sich auch die Sicherheit meines Gehirns
die Synapsen frieren im Wind

B) Langsam wärmer

Und das Zittern sucht Schutz
in den Armenvierteln der Stadt
wo nichts zu holen ist bei denen
die schon lange verloren

Und das Zittern kehrt heim
spielt eine kleine Überraschungsmelodie
zieht sich selbst den roten Mantel an
dreht den Ring am kleinen Finger

Und das Zittern verliert Kraft
wenn das Bärenfell
                          wächst
der Verdacht, dass…
ach, ja, es wird langsam wärmer

© Friederike Hermanni, 2023

Ein Letztes

Für alle Mütter, Schwestern, Freund:innen, für alle Liebende dieser Erde, für alle Jungen, für alle Alten:

Ein Letztes

Es ist als wäre es
verdreht wie konnten wir uns
früher am Flug der Vögel
ausrichten wissen
wo der Norden wohin der Süden
sich öffnet

Sich schließende Fluchtrouten
über die Eukalyptusländer
Wanderungen banger Fragen
die Strecken der Graugänse werden kürzer
vereitelt wie konnten wir damals
so sicher sein

Wenn die Vögel sich am Himmel
vereinzeln – wie konnten wir
all diese Schornsteine errichten
die am Ende der falschen Richtung
nicht einfach
abgeschaltet werden können

So drehen wir uns weiter
folgen dem Kompass
dessen Nadel
die Magnetfelder nicht mehr erkennt
und wir in separaten Räumen
den weißen Tauben
ein letztes Gebet anvertrauen

© Friederike Hermanni, 2023

Solange

Solange

aus den Zitronenbäumen des Sommers gezupft
in die herbstliche Milch gerührt
auf die Holzmauern des Winters geschichtet

habe ich all die Vehikel im Höhenflug
die wiederentdeckten Seerosen
die Stromschnellen

um sie blindlings und undercover
in Gold umzuschlagen
– solange noch Zeit bleibt

© Friederike Hermanni, 2023

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