Für G*F

Manchmal geschieht ein Wunder.

Für G*F
oder für einen Seemann

Ich will mit dir am Wasser stehen
das Blut in Herzen zirkulieren sehen
Ich will mit dir die Lichter zählen
will mit dir durch Wellen gehen

Ich will mit dir das Leben lernen
danach mit dir das Denken zähmen
schwarz im dunklen Regen blühen
Ich will mit dir die Haut aufwühlen

Will Kuba sehen
will Spiele spielen
auf Elefanten stehen
an deine Felsen lehnen

Endlich deine Augen sehen
Träume von den Angeln nehmen

Von G*F

Zu: „Stundenlang am Wasser stehen“
von Fortuna Ehrenfeld
Album: Solo I. (2022)

© Friederike Hermanni, 2023

Und wieder: August

Und heute euch ein neuer Text über den zauberhaften August, den ich so liebe. Wenn ihr Musik streamen könnt, hört euch dazu „Schramm“ des Kaiser Quartetts an.

Und wieder: August

I.

lasst den Sommermorgen hinein den
warmen den weichen Himbeeraugust
dessen Luft morgens um fünf schwer
von der feuchten Nachtluft
bis ans Ende unseres Gartens atmet
unsere Traumnetze berührt
den Duft würziger Kräuter in sich
trägt wie der Himmel heimlich Sterne

II.

ich erinnere mich
wir bluteten
in den Beerenplantagen
sammelten Früchte die
aus den Eimern in die großen Töpfe
wanderten
wir rührten die Holzlöffel
steckten uns die Haare hoch

Regentaucherinnen wir

III.

die Alten in den Gärten in weißen
Battistblusen die Jungen
mit den Gesichtern
der Sonnenblumen zum Himmel
gewendet

IV.

das Zupfen der Hölzer
verlorener Nachgesang der Zikaden
das Jahr wendet sich
ruhig und klar dem Herbst zu

VI.

am Horizont steht das Gras schon hoch

Zu: „Schramm“, Kaiser Quartett, Album Kaiser Quartett, 2019

© Friederike Hermanni, 2023

Auf dem Weg

Auf dem Weg

Wenn du mich anschaust
werde ich dem Rosenpfad folgen
den Birkenhain suchen

Wenn du mich einlädst
werde ich im Licht deines Blicks
den Himmel anrufen, mein Lager errichten

Wenn du mich behütest
werde ich die Tür deines Atems öffnen
in deinen Schlafliedern ruhen

Auf dem Weg zu dir
verliert die Traurigkeit ihre Gültigkeit
und ich werde am Abend
keinen Tag mehr bereuen

© Friederike Hermanni, 2023

Solange

Solange

aus den Zitronenbäumen des Sommers gezupft
in die herbstliche Milch gerührt
auf die Holzmauern des Winters geschichtet

habe ich all die Vehikel im Höhenflug
die wiederentdeckten Seerosen
die Stromschnellen

um sie blindlings und undercover
in Gold umzuschlagen
– solange noch Zeit bleibt

© Friederike Hermanni, 2023

Vielleicht

Vielleicht

behutsam öffne ich den Deckel der verblühten Zeit
das Wasser von dem ich träumte
schwerer als Granit und Saphir
die Mondjahre die wir teilten
behüteten unsere Worte voll Blut

bald werde ich zum Spiegel der vergangenen Zeit
trage sie nachts zum Meer
wo Morgenrot uns sein Versprechen schenkt
– noch kann ich mich nicht vertäuen
doch bald – vielleicht


© Friederike Hermanni, 2023

aus Papier

aus Papier

du kannst mich nach Hause tragen
wenn ich verblute
wenn meine Welt zerfällt
oder wir sie selbst zerlegen
mit wachen Augen
siehst du die Fehler im System
legst deine Finger in die Wunden
meines Lebens zwischen den Seilen
aus Papier

© Friederike Hermanni, 2023

Der Stoff

Leicht berührt hatte sie der Stoff
der durch die Jahre flog
leicht wie ein Wind

Sanft berührt hatte ihn der Stoff
den sie auf ihrem Rücken trug
zart wie ein Kind

Leicht berührt hatten sie die Flügel
die sie durch die Jahre trugen
vorsichtig wie Zauber*innen

Noch nicht geküsst hatte sie die Welt
die sie in sich erschuf
behutsam die Magierin

Geküsst hatte sie der Wind
der in den Jahren alles in sich trug
das sie in sich gefunden

© Friederike Hermanni, 2023

Der Anfang

Ich bin alt
war immer schon da
bin allgegenwärtig
werde immer da sein

Ich sehe euch zu
lebe in euren Tagen und Nächten
höre eure Stimmen
teile eure Angst

Ich weiß um euch
habe alles gesehen
auf Hochzeiten getanzt
die bösen Träume durchwacht

Ich werde wahr
in euren Taten und Gedanken
was wird liegt ganz allein
bei euch

Ihr wisst all das nicht
schickt Raketen zum Mond
verzweifelt am Tod
der doch nur der Anfang ist

© Friederike Hermanni, 2022

Eines Tages

WOW – das Herz öffnet sich wie ein Palastsaal – die Kronleuchter aus Kristall funkeln – das Parkett glänzt – draußen eine Schar Friedenstauben am weit geöffneten Himmel – der Stern gibt sein Bestes – Menschen weigern sich, Bomben abzuwerfen – der Fliegerhorst bleibt ruhig – Soldat:innen ziehen ihre Uniformen aus – Haubitzen schmelzen in der Sonne – die Granaten sind mit Konfetti gefüllt – der alte Mann stirbt an Herzinfarkt – die Fernsehbilder zeigen Blumen – bunte Fahnen auf den Dächern – die Regierung verteilt Sachertorte – die Münder der Kinder sind mit Schaumküssen verschmiert – die Leute ziehen ihre Glückskleider an – malen sich Schönheitsflecken auf die blasse Haut – die Lippen rot – der Taft knistert beim Tanzen – alle besaufen sich an der Freude – ZUSÄTZLICH: – jede:r hat genug Brot, Salz und Wein – alle COs-Schleudern werden durch Zeppeline ersetzt – oder durch Heißluftballons – die Nachbarn und Nachbarinnen dieser Welt fallen sich in die Arme – die Bäume verlieren ihre Angst.

© Friederike Hermanni, 2022

BALKON 1.-4.

NATURBEOBACHTUNG

  1. ein Murmeln der Unbekannten
    Flugzeuge am Himmel verwaist
    da: eine entschiedene Männerstimme
    ein Motorrad trumpft auf ich denke an ihn
    Verabschiedung da draußen
    eine Tür fällt ins Schloss etwas geht zu Ende
    im Untertitel dröhnt die Stadt

  2. zerzupfte Wolken über dem Garten
    unbesehen schiebt sich Blau dazwischen
    Trompetenbäume setzen auf Hoffnung
    und doch vertrocknen Sommerreste in Kästen

  3. träge Luft des Sommers
    eher Juli als klarer August
    fader Duft des Kaffees lässt mich schlafen und vergessen
    irgendwie Plastik und immer der Rosmarin

  4. die Luft ist heute zärtlich zu mir

© Friederike Hermanni, 2022

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