Zukunft

Zukunft. Die gibt es nicht. Die gibt es einfach nicht. Ein Trugbild im Kopf, das uns das Hirn verdreht. Leinwand unserer Träume, die sich dann doch IMMER anders entwickeln, als wir uns das kühn ausmalen. Immer. Kein Mensch hat je die Zukunft erlebt, sind wir uns da einig? Keiner war je dort, keine hat sie je gesehen, niemand hat je davon gekostet. Zukunft ist reinste Illusion, sich damit zu beschäftigen Zeitverschwendung. Nur die Gegenwart zählt, ihr wisst schon, die alte Leier aus den Achtsamkeitskalendern.

            Und doch denken wir an nichts anderes, handeln, als wäre sie das Einzige, was zählt. Wir essen, damit wir danach satt sind. Wir schlafen, damit wir am nächsten Tag wach sind. Wir arbeiten, damit wir uns später Brot, Wein und Kinkerlitzchen kaufen können. Wir trinken Wein, damit wir uns später wohler fühlen mit den anderen Leuten. Wir schunkeln mit den anderen Leuten, damit wir eines Tages im Notfall auf sie zurückgreifen können. Für den Fall wollen wir vorbereitet sein. Wir kaufen Mehl und Öl, damit wir uns Fladen backen können, wenn es hart auf hart kommt. Wir schauen fern, damit wir wissen, wann wir mit dem Atomkrieg rechnen können. Wir bereiten uns nonstop auf etwas vor, das es gar nicht gibt. Bevor die Zukunft anfängt, sind wir schon alle tot.

© Friederike Hermanni, 2022

Veröffentlicht inProsa

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2 Kommentare

  1. Ein Text, der auf jede Litfaßsäule gesprayt werden sollte. Oh, liebe Friederike, du hast mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen, uns alle aus der – Hand auf’s Herz, wahlweise auf’s Hirn – unkomfortablen Komfortzone gerissen. Ein Toast auf die Unvorbereitung. Gerne auch ohne Wein.
    Danke für das Aussprechen unseres latenten, allgemeinen Unwohlseins. Mit deinen Worten können wir es vermutlich besser orten.

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