Die Wintervögel
Immer wieder strecke ich die Hände gen Himmel aus, schicke die Augen, die Ohren, die Nase hinterher und will mich einfangen lassen von dem Flug der schwarzen Vögel am Himmel. Wohin ziehen sie? Drehen sie ihre Runden nur hier in ihrem Heimatrevier in meiner Stadt oder finden auch sie sich eines Tages im Süden wieder, dort, wo die Wolken nicht dunkel sind und der Horizont ganz hell?
Und nun ist es Winter, genaugenommen der erste Tag des Winters. Schon klagen die Leute und wünschen sich den Sommer herbei, aber heute ist der kürzeste Tag gefolgt von der längsten Nacht, und ich sitze wie jeden Tag um die Mittagszeit auf dem Balkon und rauche meine 12-Uhr-Zigarette. Und da kreisen sie über mir, die Wintervögel. Ich höre ihre Stimmen, beobachte die wilden Kreise und Muster, die sie durch die Luft ziehen und weiß, dass in mir die Sehnsucht wohnt. Die Sehnsucht nach dem Abheben von den Alltäglichkeiten, die sich mir immer wieder in den Weg stellen.
Sie fliegen über mir, krähen. Sind es Krähen oder Dohlen, also Turmkrähen aus der Familie der Rabenvögel? Sie bewegen sich in wilden Formationen und nehmen mich mit dorthin, wo ich mich tragen lassen kann von dem Gesang des Windes, von dem Licht hinter den Wolken. Dorthin, wo es hell ist.
© Friederike Hermanni, 2024
Dankeschön für die wieder so schönen Gedichte, jetzt und übers Jahr verteilt mit den besten Wünschen fürs Neue Jahr💫🍀!
Freue mich auf deine Nächsten!
Lisa